Vor- und Mietergärten

GEHAG und EINFA legten viel Wert auf eine ausreichende Anzahl von Grünflächen und deren anspruchsvolle Gestaltung und schufen mit diesem Anspruch eine Qualität, die noch heute ihresgleichen sucht. "Die Einfa unternahm darüber hinaus den Versuch, den Menschen der Großstadt aus der Asphaltwüste herauszureißen und seine Wohnung in eine Umgebung zu setzen, die ihn wieder in eine engere Beziehung zur Natur bringen sollte. Auch der Mensch der Großstadt hat schließlich ein Anrecht darauf, in seiner unmittelbaren Umgebung Blumen und Grünschmuck zu sehen. Darum umschließen überall, wo die EINFA gebaut hat, Freiflächen die Wohnanlage." (EINFA, 1933). Interessanterweise wurden die Gärten, die den Wohnraum der Familien im Sommer erweiterten, von der EINFA nicht nur als reine Nutzgärten (wie dies beispielsweise bei der Gartenstadt Falkenberg 1914 noch der Fall gewesen war) angesehen, sondern es wurde auch die Anlage von "Wohngärten" propagiert.

Die Einheitlichkeit in der Siedlung war ein wichtiger Gestaltungsaspekt Bruno Tauts. Um diese auch auf Dauer zu bewahren, versuchte die EINFA positiven Einfluss auf die Mieter auszuüben. So gab sie in der Zeit von 1930 bis ca. 1937 regelmäßig Nachrichtenblätter heraus, die die Mieter kostenlos erhielten und in welchen zu Fragen des Wohnens und des Gartens kritisch Stellung bezogen wurde. "Der Balkon bietet aber auch vielen eine willkommene Möglichkeit, ihren gärtnerischen Neigungen nachzugehen. So begrüßenswert dies an sich ist, so ist doch nicht zu übersehen, daß der Betätigung der Einwohner auf diesem Gebiete insofern gewisse Schranken gesetzt sind, als sie sich in ihrer Auswirkung nach außen richtet und somit die Architektur der Bauten entscheidend beeinflußt. Hier muß der individualistische Tatendrang des Einzelnen im Interesse der Mitbewohner etwas zurücktreten, denn es wird sicher nicht das Bestreben des Einzelnen sein, eine sorgfältig durchdachte Architektur durch einen uneinheitlichen Blumenschmuck zu zerstören." (EINFA, 1930)

Leberecht Migge (1881-1935) war zu jener Zeit ein bekannter Gartenarchitekt, der sich als einer der wenigen mit der Gestaltung von Siedlergärten befasst hatte. Mit Bruno Taut und Martin Wagner verband ihn, in großen Zusammenhängen zu denken und für die Rationalisierung der Arbeiten einzutreten. Ähnlich wie die Architekten bei den Gebäuden, wollte auch Migge durch die Typisierung der Siedlungsgärten Geld einsparen. Aus diesem Grund wurde er von der GEHAG offenbar auch für Planungen in der Hufeisensiedlung herangezogen. Migge plante zwar zunächst die öffentlichen Grünanlagen des Hufeisens und des Paradieses, die Mieter blieben Anfangs jedoch ohne Unterstützung. Leberecht Migge schreibt in einem Zeitungsartikel 1927: "Die vielen Kleingärten der Kolonie sind leider ganz unberaten geblieben. Es sollen keine Mittel dafür vorhanden gewesen sein; trotzdem sieht man heute Hunderte dieser armen Gärtlein mit wertvollem Pflanzmaterial geradezu vollgestopft und auch sonst reich geziert. Der Gesamteindruck ist denkbar schlecht." Migge hatte demnach bei der Anlage der ersten Gärten in der Siedlung keine direkten Einflussmöglichkeiten. Es ist aber zu vermuten, dass er bei der Gestaltung der Vorgärten und später auch der Mietergärten zumindest beratend tätig war.

Die Straßen in der Hufeisensiedlung zeichnen sich durch einheitliche Vorgärten mit von Hecken umschlossenen Rasenflächen aus. Unterschiedliche Baumarten beleben das Bild und führen zu einer sensiblen Differenzierung: Birken in der Dörchläuchting- und Liningstraße, Essbare Ebereschen in der Jochen-Nüßler- und Miningstraße, Zier-Kirschen in der Onkel-Bräsig-Straße, Ulmen und Robinien im Lowise-Reuter-Ring, Gefüllt blühende Vogel-Kirschen und Robinien in der Stavenhagener Straße und Zier-Äpfel und Kiefern in der Gielower Straße. In den Mietergärten ließ die GEHAG am rückwärtigen Ende eine einheitliche Ligusterheckeneinfassung und je einen Obsthochstamm pflanzen.

Im sechsten Bauabschnitt erhielt Leberecht Migge dann den Auftrag, ein Grundgerüst für die vor den Reihenhäusern liegenden Mietergärten zu planen. Die Hauszugänge wurden einheitlich aus Betonplatten hergestellt und Ligusterhecken gepflanzt. Wichtigstes gestalterisches Element waren jedoch die zwei Reihen Obstbaum-Hochstämme, die die Fußwege begleiteten.