Triennale der Moderne 2016

Programm Dessau, Weimar und Berlin vom 23.9.–9.10.2016

Ein neues Angebot für Architekturinteressierte

Mit dem erst 2013 ins Leben gerufenen Veranstaltungsformat „Triennale der Moderne“ rückt alle drei Jahre die Architektur des frühen 20. Jahrhunderts in den Fokus der Öffentlichkeit. Ausgangspunkt sind die UNESCO-Welterbestätten in den Städten Berlin, Dessau und Weimar. Die Triennale ist eine langfristig angelegte Initiative dieser drei Städte sowie zahlreicher Institutionen, welcher sich der Moderne verpflichtet fühlen. Im Rahmen des Events besteht die Möglichkeit, verschiedene Veranstaltungen, Besichtigungen und Führungen zu besuchen. Ziel der Initiatoren ist es dabei langfristig aber auch, ein internationales Netzwerk der Kooperation und des Erfahrungsaustausches zu entwickeln. Hierbei muss man wissen, dass Deutschland das Land ist, welches die meisten Welterbestätten der Moderne auf der Welterbeliste verzeichnet. Neben der Hufeisensiedlung und den anderen fünf Berliner UNESCO-Welterbesiedlungen gehören hierzu dazu auch die Bauhausstätten in Weimar und Dessau sowie die Zeche Zollverein in Essen, die Völklinger Hütte, das Fagus-Werk in Alfeld oder zuletzt die – erst 2016 mit aufgenommen – beiden Villen Le Corbusiers in der Stuttgarter Werkbundsiedlung von 1927.

Programmhighlights 2016

Bei der Premiere der Triennale 2013, also 80 Jahre nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten, orientierte man sich am Themenjahr "Zerstörte Vielfalt" und rückte so vor allem die Abwanderung und Zerschlagung künstlerischen Produktion in den Vordergrund, da viele Protagonisten des Neuen Bauens ins ausländische Exil gingen. 2016 stehen nun vor allem Bauten und Werk von Walter Gropius und das Thema "Freiräume" im Mittelpunkt. Gropius nimmt als Gründer und erster Direktor des Bauhauses – sowie auch als der Architekt des vor 90 Jahren enstandenen Dessauer Schulgebäudes – natürlich einen zentralen Platz in der Architekturgeschichte ein. Er hat an allen drei Veranstaltungsorten Spuren hinterlassen und ist mehr als jeder andere Architekt seiner Zeit auf der Welterbeliste vertreten.

Aber auch unsere Siedlung feiert 2016 mit 90 Jahren Erstbezug ein entsprechendes Jubiläum. Hinzu kommt, dass – zumindest bezogen auf die Berliner Welterbestätten – nicht so sehr Walter Gropius, sondern vielmehr Bruno Taut und Martin Wagner die führenden Protagonisten des Neuens Bauens in Berlin waren: Bruno Taut entwarf gleich vier der sechs Berliner Welterbesiedlungen, während sein Kollege Martin Wagner als der maßgebliche politische und organisatorische Kopf des Neuen Bauens gelten darf. (Aus seiner Rolle als erster Leiter der GEHAG sowie zweiter Architekt der Hufeisensiedlung heraus, wurde es 1926 zum Berliner Stadtbaudirektor berufen und trieb in diesem Amt nicht nur den Bau weiterer Siedlungen voran, sondern ist auch für die stadträumliche Planung von Arealen wie dem Alexanderplatz oder dem Berliner Messegelände mit verantwortlich.)

Veranstaltungstipps

Insgesamt gibt es bei der Triennale der Moderne in allen drei Städten viel zu entdecken. Wer speziell auf Spuren Bruno Tauts in Berlin wandeln möchte, für den empfehlen wir vier Veranstaltungen, die sich explizit mit der Entstehung und Gestaltung der Hufeisensiedlung befassen:

Weitere Infos

www.triennale-der-moderne.de
Die zugehörige Website ist auch Smartphone-kompatibel.
Die 32-seitige Programbroschüre liegt auch im Café der Infostation aus
oder im Presse- und Downloadbereich heruntergeladen werden.

 

Hintergründe zu den Welterbesiedlungen und zum "Neuen Bauen" in Berlin

Bis heute gilt die Anfang des 20. Jahrhunderts entstandene Aufbruchsstimmung in Design, Kunst und Architektur als wegweisend. Eine besondere Faszination geht dabei von dem "Bauhaus-Stil" aus. Dieser wurde von der, 1919 in Weimar gegründeten und ab 1924 am Standort Dessau weitergeführten gleichnamigen Designschule geprägt. Ihre Nachfolge-Einrichtungen vor Ort, die Stiftung Bauhaus Dessau und die Bauhaus-Universitöt Weimar, gehören konsequenterweise zu den großen Partnern der Triennale außerhalb Berlins. Das größte Highlight Berlins hingegen stammt aus der relativ kurzen Epoche des "Neuen Bauens", welche ihre Hochzeit zwischen 1924 und 1932 erlebte und sich nicht nur in Berlin, sondern auch in anderen europäischen Städten wie etwa Frankfurt, Wien oder Rotterdam manifestierte. Speziell die damals – vor dem Abgleiten in die wirtschaftliche Depression und die aufziehenden Verheerungen des nationalsozialistischem Regimes – entstanden Wohnbauten gelten jedoch heute als Berlins wichtigster Beitrag zur internationalen Architekturgeschichte. 

Unter dem Leibild "Licht, Luft und Sonne" entstanden groß projektierte und sehr ambitionierte Wohnsiedlungen entlang der damaligen Peripherie. Hierbei nutzte die öffentliche Hand die städtebauliche Chance, die durch die1920 per Verwaltungsbeschluss besiegelte Vereinigung verschiedener Stadt- und Landgemeinden zu "Groß-Berlin" überhaupt erst entstanden war. Eine Maßnahme, die zum Einen das neu geschaffene Berlin quasi über Nacht zu der damals dritt bevölkerungsreichsten Metropole der Welt machte. Und die zum Anderen auch die bis heute die typische polyzentrische Struktur der Berliner "Kieze" hervorgebracht hat. Dieser Zusammenschluss der (mit mitarbeiterstarken Firmen wie etwa der AEG, Siemens, Osram, Telefunken, Borsig etc.) bereits stark industrialisierten Region sorgte für ein großes Angebot an neuem Bauland entlang der Ränder der neu vereinigten Gemeinden. 

Im Ringen um ädequate Bauformen für noch fast gänzliche unbesiedelte Areale – wie etwa das Gebiet rund um Schloß und Gutshof Britz – etablierte sich rasch der Typ der durch viele Grünflächen geprägten Großsiedlungen. Diese waren vor allem von der aus England stammenden Gartenstadtbewegung und von frühen Formen des Werksiedlungsbaus inspiriert. Nicht alle, aber viele dieser Siedlungen entstanden in einer modernen, sich bewußt vom ebenfalls gängigen Heimatstil absetzenden Formensprache. Sie sollten vor allem die einfacher Arbeiter aus dem, vielerorts dominierenden, Bautyp der mehrfach gestaffelten und meist stark überbelegten Hinterhöfe "befreien". 

Zur politischen Durchsetzung wurde ein lobbyistisch geschickt konstruiertes System aus genossenschaftlich und städtisch getragenen Wohnungsbausgesellschaften gegründet. Diese konnten – wenn bestimmte, vorab definierte Mindeststandards erfüllt waren – auf Fördermittel aus der neu geschaffenen Hauszinssteuer zurückgreifen. Hierzu zählte auch die 1924 gegründete historische GEHAG (Gemeinützige Spar-, Bau- und Heimstätten-AG). Unter Leitung Martin Wagners verpflichtete sie Bruno Taut als Chefarchitekten und errichtete mit der Hufeisensiedlung und weiteren Siedlungen viel diskutierte Wohnanlagen, die rasch zu Ikonen des Neuen Bauens wurden. Auch wenn die anfänglich angestrebten niedrigen Baukosten nicht so realisiert werden konnten (und die ersten Bewohner der Siedlungen somit doch eher aus der unteren Mittel- statt aus der Arbeiterschicht stammten), so waren die Ziele doch ehrenwert, führten trotzdem zu moderaten Baukosten, brachten dabei aber Anlagen mit damals revolutionär hoher Wohnqualität hervor. 

Auch heute steht das rasch wachsende Berlin wieder vor der Herausforderung, preiswerten und qualitätvollen Wohnraum zu schaffen. Ein Privatisierungspolitik wie sie mit dem Verkauf der GEHAG 1998 vom Berliner Senat betrieben wurde und mittlerweile Fakten und Herausforderungen für den denkmalgerechten Erhalt unserer Nachbarschaft geschaffen hat, passt hier aus heutiger Sicht nicht ins Bild. Und sie würde auch heute so wohl auch nicht mehr vollzogen werden. Es ist vielmehr zu fragen, ob sich nicht einige der Ideen der 1920er Jahre, leicht angepasst, auch durchaus in die Gegenwart übertragen liessen.

 

Über den Autor

Ben Buschfeld, wohnt seit knapp 20 Jahren in der Siedlung. Er ist als Mitorganisator und Grafik-Designer für die Triennale aktiv und hat als Autor und Gestalter u.a. auch die Ausstellung in der Infosstation sowie den dazu gehörenden Ausstellungskatalog erstellt (vgl. Termin 5.10.).