News vom 7.7.2008: Die Hufeisensiedlung ist UNESCO-Welterbe !!!
Was wurde entschieden?
Die UNESCO-Welterbekommission hat entschieden, die sechs Siedlungen der "Berliner Moderne" inklusive der Hufeisensiedlung in die Welterbeliste aufzunehmen, sie also quasi mit den Pyramiden von Luxor oder dem Buckingham Palace auf eine Stufe zu heben. Das mag viele überraschen, ist aber aufgrund der bauhistorischen Bedeutung unserer Siedlung für die Entwicklung des internationalen sozialreformerischen Wohnungsbau durchaus auch berechtigt. Der Verein "Freunde und Förderer der Hufeisensiedlung Berlin-Britz e.V." begrüßt die Eintragung als UNESCO-Welterbe ausdrücklich. Gleichzeitig gehen wir davon aus, dass die kurz- oder mittelfristig mit dieser Entscheidung verbunden Prozesse für unsere Siedlung zwar insgesamt sehr positiv, möglicherweise aber auch nicht immer leicht zu moderierenden sein werden.
Was ändert sich für die Bewohner?
Prinzipiell ist zunächst festzuhalten, dass mit der Ernennung zum UNESCO-Welterbe keine Änderung oder gar Verschärfung der gültigen denkmalschutzrechtlichen Auflagen und Bestimmungen einhergeht. Die Gebäude und Freiflächen der Siedlung stehen bereits seit 1986 als Gesamtensemble unter Denkmalschutz – das ist bereits der höchste Schutzstatus – daran ändert sich also nichts. Gleichwohl ist der Grad an internationaler Aufmerksamkeit nun natürlich deutlich höher. Und genau das kann auch Vorteile haben, wenn es darum geht bestimmte Entscheidungen zum Gunste unserer Siedlung politisch oder wirtschaftlich durchzusetzen.
Welche Rolle kann der Verein übernehmen?
Um die Hufeisensiedlung ihrer besonderen Bedeutung entsprechend und trotz der komplizierten Eigentumsverhältnisse als Welterbe verantwortlich zu bewahren, müssen sowohl die von der Unesco geforderten Maßnahmen analysiert und umgesetzt, als auch neue Projekte zügig, kooperativ und fachgerecht realisiert werden. Hier will unser Verein einen aktiven Beitrag leisten. Gemäß der Ziffern 123 und 211 der Richtlinien zur Welterbekonvention ist eine Beteiligung der Bewohner vorzusehen. Da dies sich dies jedoch bei rund 3.000 Bewohnerinnen und Bewohner schwierig gestaltet, stehen wir prinzipiell für beide Seiten als Ansprechpartner, kundige Vermittler oder – je nach Verfahrensweg und Legitimation – sogar als Vertreter der lokalen Bevölkerung zur Verfügung.
Über die Hintergründe der Entscheidung informiert der folgende Auszug aus der UNESCO-Website.
Pressemitteilung des UNESCO-Welterbekomitees vom 7. Juli 2008
Siedlungen der Berliner Moderne
auf der Welterbeliste der UNESCO
Das Welterbekomitee der UNESCO hat heute, am 7. Juli 2008, die Siedlungen der Berliner Moderne in die Liste des Welterbes aufgenommen. Die sechs denkmalgeschützten Siedlungen repräsentieren einen neuen Typus des sozialen Wohnungsbaus aus der Zeit der klassischen Moderne und übten in der Folgezeit beträchtlichen Einfluss auf die Entwicklung von Architektur und Städtebau aus. Das Komitee wird im Verlauf seiner 32. Tagung vom 2. bis 10. Juli in Quebec, Kanada, über weitere Neueinträge in die Liste des Kultur- und Naturerbes der Welt entscheiden.
In die Welterbeliste wurden sechs repräsentative Wohnhaussiedlungen der Berliner Moderne aufgenommen: die Gartenstadt Falkenberg, die Siedlung Schillerpark, die Großsiedlung Britz, die Wohnstadt Carl Legien, die Weiße Stadt und die Großsiedlung Siemensstadt.
Die sechs Siedlungen entstanden in den Jahren 1913 bis 1934, zwischen dem Ersten Weltkrieg und dem Machtantritt der Nationalsozialisten. Architekten der klassischen Moderne gaben auf höchstem Niveau eine städtebauliche und architektonische Antwort auf die Wohnungsfrage der Kaiserzeit: rationell geschnittene, modern ausgestattete und bezahlbare Wohnungen mit Küchen, Bädern und Balkonen, in Häusern ohne Hinterhof und Seitenflügel, dafür mit Licht, Luft und Sonne. Die qualitätsvolle Baukunst, die moderne Formensprache, die funktionalen Wohnungsgrundrisse und die städtebaulichen Figuren der Siedlungen lieferten international diskutierte und adaptierte Vorbilder für das ganze 20. Jahrhundert.
Planung und Bau der Siedlungen markierten einen historischen Wendepunkt im Städtebau und Wohnungswesen, wie er nur unter den einmaligen politischen und gesellschaftlichen Bedingungen der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg möglich war. Als Gegenmodell zur privatwirtschaftlichen Bauspekulation mit ihren Mietskasernen sollten sie eine neue Architektur für eine neue Stadt in einer neuen Gesellschaft verwirklichen. Ästhetische Vorstellungen der Avantgarde aus Kunst und Architektur verbanden sich dabei mit den sozialen Ideen der politischen Linken. Gewerkschaftliche, genossenschaftliche und städtische Baugesellschaften wurden zu den Trägern dieser gebauten Utopie.
Die Wohnanlagen stellen einen neuen architektonischen Typus dar. Die modernen Siedlungsstrukturen hoben sich stark von den zeitgenössischen Mietskasernen ab und ermöglichten einen gesünderen, höheren Lebensstandard auch für die ärmeren Bevölkerungsschichten. In der Folgezeit übten die Anlagen großen Einfluss auf die Entwicklung des sozialen Wohnungsbaus und somit auf Architektur, Städtebau und Landschaftsgestaltung aus.
Für die Welterbeliste wurden sechs Reformsiedlungen ausgewählt, die die Visionen der Berliner Moderne authentisch wiedergeben:
- Gartenstadt Falkenberg (Treptow), 1913-15 erbaut von Bruno Taut, Freiflächen von Ludwig Lesser
- Schillerpark-Siedlung (Wedding), 1924-30 erbaut von Bruno Taut und Franz Hoffmann, Teilwiederaufbau 1951 von Max Taut, Erweiterung 1954-59 von Hans Hoffmann
- Großsiedlung Britz – Hufeisensiedlung (Neukölln), 1925-31 erbaut von Bruno Taut und Martin Wagner, Freiflächen von Leberecht Migge
- Wohnstadt Carl Legien (Prenzlauer Berg), 1928-30 erbaut von Bruno Taut und Franz Hillinger
- Weiße Stadt (Reinickendorf), 1929-31 erbaut von Bruno Ahrends, Wilhelm Büning und Otto Rudolf Salvisberg, Siedlungsgrün von Ludwig Lesser
- Großsiedlung Siemensstadt (Charlottenburg und Spandau), 1929-31 erbaut von Otto Bartning, Fred Forbat, Walter Gropius, Hugo Häring, Paul Rudolf Henning, Hans Scharoun, Freiflächen von Leberecht Migge
Mit der Neuaufnahme der Siedlungen der Berliner Moderne ist Deutschland jetzt mit 33 Stätten in der UNESCO-Liste des Welterbes vertreten. Zur diesjährigen Tagung lagen dem Welterbekomitee insgesamt 47 Nominierungen für die Liste des Kultur- und Naturerbes der Welt vor.